NEIN zu differenzierten Grundsteuer-Hebesätzen

(es gilt das gesprochene Wort)

Sehr geehrter Herr Oberbürgermeister, liebe Kolleginnen und Kollegen,

der Kollege Jungmann wies in der letzten Sitzung des Haupt- und Finanzausschusses richtigerweise darauf hin, dass wir es hier mit einem Beschlussvorschlag zu einem äußerst komplexen Sachverhalt zu tun haben. Und in der Tat sind dessen Auswirkungen für Kommunalpolitiker im Ehrenamt nur schwer vorauszusagen.

Wir Freie Demokraten empfinden es daher als äußerst verantwortungslos von der schwarz-grünen Landesregierung, wie sie uns mit dieser „Wahlfreiheit“ den schwarzen Peter zuschieben und davon ablenken will, bis heute versäumt zu haben, eine tragfähige Lösung für die problembehaftete Grundsteuerreform zu finden. Die NRW-Landesregierung kapituliert hier vor den massenhaften Einsprüchen gegen die Grundsteuerbescheide, hält unbeirrt weiter am Scholz-Modell fest und will sich nun mit einem solchen unausgegorenen Korrekturgesetz still und heimlich aus der eigenen Verantworung stehlen, indem es die Kommunen ausbaden sollen.

Und was macht Bottrop? Bottrop fällt auf diese finanzpolitische Finte rein. Anders lässt sich dieser Beschlussvorschlag nicht interpretieren. Die Landesregierung bietet den Kommunen mit dem Hebesatz-Splitting scheinbar eine Verbesserung zum aufwändigen, wertabhängigen Modell von Olaf Scholz. Doch, meine Damen und Herren, bei näherem Hinsehen zeigt sich, dass dieses Hebesatz-Splitting nur ein Schein-Kompromiss ist, der mehr Probleme schafft, als er löst.

Ich will das kurz erklären. Es gibt 9 Liegenschaftskategorien (8 Gebäudetypen und die unbebauten Grundstücke), die der NRW-Finanzminister auf zwei Körbe verteilt, nämlich die „Wohngrundstücke“ (Korb 1) und die „Nichtwohngrundstücke“ (Korb 2). Auch überwiegend für Wohnzwecke verwendete „gemischt genutzte Grundstücke“ gelten nach seiner Definition als „Nichtwohngrundstücke“.

Die Wirkungsrichtungen der Belastungsverschiebungen unterschiedlicher Gebäudetypen innerhalb eines Korbes nach dem neuen Grundsteuermodell unterscheiden sich aber stark und widersprechen sich teilweise sogar. Die _Be_lastungs- und _Ent_lastungseffekte innerhalb eines Korbes sind dabei mehrfach einander entgegengerichtet. Es macht daher inhaltlich gar keinen Sinn, gegen den sich eher zufällig ergebenden Mittelwert mit möglichen Messbetragskorrekturen anzuarbeiten. Wenn man vor Ort ein Hebesatz-Splitting will, wären eigentlich 9 gesplittete Hebesätze notwendig, um zumindest pro Gebäudetyp aggregiert Mehrbelastungen aufzufangen. Das will verständlicherweise niemand.

Bei den ganz unterschiedlichen Gebäudearten innerhalb der nur zwei Splitting-Kategorien „Wohngrundstücke“ (Korb 1) und „Nichtwohngrundstücke“ (Korb 2) gibt es immense Unterschiede. Der Gesamteffekt einer Kategorie als Durchschnittswert ergibt sich oft durch diametral entgegengesetzte Einzeleffekte der Gebäudetypen. Das Hebesatz-Splitting sorgt daher bezogen auf die jeweiligen Gebäudearten in vielen Fällen dafür, dass Belastungsverschiebungen entweder gar nicht beseitigt oder sogar noch verstärkt werden.

Sobald ein Gebäude nämlich nicht größtenteils als Wohngebäude genutzt wird, also zum Beispiel im Erdgeschoss ein Gewerbebetrieb angesiedelt ist, greifen automatisch die höheren Hebesätze. Das bedeutet für die Eigentümer und auch für viele Mieter in Bottrop: Sie müssen am Ende mehr zahlen. Und das, obwohl ihre Nutzung im Vergleich zu reinen Wohngebäuden kaum abweicht. Eine identische Wohnung im Nachbargebäude soll eine steuerliche Entlastung erfahren – doch nur, wenn das Haus ausschließlich als Wohngebäude genutzt wird. Solche Ungleichbehandlungen können wir als Freie Demokraten nicht verantworten.

Das Hebesatz-Splitting würde ferner auch dazu führen, dass Städte wie Bottrop willkürlich unterschiedliche Hebesätze für Wohngrundstücke und Nicht-Wohngrundstücke festlegen sollen. Problematisch ist aus unserer Sicht dabei, dass die Aufteilung der beiden Körbe vom NRW-Finanzminster festgelegt worden ist. Da hört dann nämlich unsere „Wahlfreiheit“ auf. Hätte Bottrop die Verteilung der Liegenschaftskategorien auf die Körbe selbst vornehmen können, hätten man vor Ort möglicherweise Belastungen innerhalb der Körbe tatsächlich gegenseitig ausgleichen können. Aber so ist keine zielgerichtete Steuerung möglich. Und ein solches System wird dann zwangsläufig dazu führen, dass in NRW ein Flickenteppich an Steuerregelungen entsteht, in dem jede Stadt nach eigenem Gutdünken entscheidet. Das Ergebnis? Ein chaotisches und undurchsichtiges Grundsteuersystem, das den Bürgerinnen und Bürgern kaum zu erklären sein wird.

Aus unserer Sicht bestehen erhebliche Zweifel an der Belastbarkeit der neuen Splittinghebesätze des NRW-Finanzministers und ihrer angeblichen Aufkommensneutralität. Landesweit sind über 1,5 Millionen Einsprüche gegen Grundsteuerbescheide und etwa 350.000 Schätzungen noch gar nicht entschieden worden.

Ich habe dazu auch ganz aktuelle Zahlen von Ende Oktober / Anfang November zum Stand in Bottrop:

Mit einer Quote von 18,7% hat etwa jeder fünfte Eigentümer Einspruch gegen die Grundsteuerwertfeststellung, das sind etwa 6850 Einsprüche, und etwa jeder zehnte (9,3%) gegen die Grundsteuermessbetragsfestsetzungen eingelegt. Bei 2100 wirtschaftlichen Einheiten wurde noch gar keine Feststellungserklärung abgegeben und die Anzahl der Schätzungen beläuft sich derzeit auf etwa 2500.

Und da viele dieser Einspruchsverfahren Mustercharakter haben, kann sich die Hebesatzberechnung noch erheblich ändern, wenn die Gerichte systemfremde Elemente wie den 25-prozentigen Genossenrabatt verwerfen.

Falls Sie den Genossenrabatt nicht kennen sollten: Stellen Sie sich zwei Objekte nebeneinander mit identischem Zuschnitt vor. Falls sich nun bei einem dieser Objekte der Eigentümer in der Rechtsform einer Genossenschaft befindet, erfährt dieses Objekt automatisch einen Rabatt von 25% bei der Besteuerung. Das ist doch nicht gerecht, liebe Kolleginnen und Kollen, und stellt einen klaren Bruch mit dem steuerrechtlichen Grundsatz der Rechtsformneutralität der Besteuerung dar.

Die Landesregierung spielt hier die Interessen der Privatpersonen gegen die Belange unserer Betriebe und Vereine aus. Diese Unternehmen und Vereine, die oft auch soziale und kulturelle Verantwortung in unserer Stadt tragen, werden mit zusätzlichen Kosten belastet, die weder planbar noch gerecht sind. Statt einer klaren und gerechten Lösung drohen also Mehrbelastungen und ein erheblicher Verwaltungsaufwand. Mit einer Zustimmung zu diesem Hebesatz-Splitting geht Bottrop finanzielle und rechtliche Wagnisse ein, ohne dass dabei die ohnehin drohenden Probleme des Scholz-Modells tatsächlich beseitigt werden. Und zudem handelt sich sich Bottrop mit allen nachteilig Betroffenen viel Ärger ein.

Wir als FDP stehen für transparente und faire Steuerpolitik. Ein System, das derart intransparent ist, das neue Belastungen schafft und das nicht nachvollziehbare Unterschiede zwischen Nachbarn oder verschiedenen Gebäuden macht, lehnen wir entschieden ab. Diesem Hebesatz-Splitting können wir als Freie Demokraten nicht guten Gewissens unsere Zustimmung geben.